Neue AOK-Studie schreckt auf – wieso eigentlich?

Freitag früh war es in allen Nachrichten: Stress macht immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer krank. Die Zahl der durch psychische Erkrankungen bedingten Arbeitsausfälle erreicht einen Höchststand. Der neue Fehlzeiten-Report, der die Daten von 9,7 Mio. versicherten Erwerbstätigen auswertet, belegt und liefert sozusagen den objektiven Beweis für das, was viele schon lange am eigenen Leibe erfahren: Die Arbeit verdichtet sich immer stärker und immer mehr Aufgaben müssen von immer weniger Menschen erledigt werden. Wenn zum Zeitdruck dann auch noch die erwartete Gratifikation ausbleibt – finanziell oder auch durch Wertschätzung und Anerkennung auf emotionaler Ebene, oder wenn sogar Angst geschürt wird um den Arbeitsplatz, dann löst das Stress aus – mit all den inzwischen medizinisch und psychologisch hinreichend beschriebenen Konsequenzen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rückenbeschwerden, Magen-Darm-Erkrankungen, aber eben auch Hilflosigkeit, Ängste, Depressionen….
Die jetzt im Fehlzeiten-Report vorgelegten Zahlen, die sich in etwas mit denen des DAK-Gesundheitsreports 2010 decken, sind in der Tendenz schon länger bekannt. Ende vergangenen Jahres hat eine andere AOK-Studie ermittelt, dass die psychischen Erkrankungen in den letzten 15 Jahren um 80% zugenommen haben. Die WHO hat schon vor Jahren Stress zu einer der größten Gefährdungen für die Gesundheit im 21. Jahrhundert erklärt und prognostiziert, dass 2020 Herzinfarkt, Depressionen, Angststörungen und Verkehrsunfälle die größten Leiden der Menschheit sein werden. Zumindest die ersten drei stehen in direktem Zusammenhang mit Stress.
Es sind also nicht die im Fehlzeiten-Report gefundenen Ergebnisse, die wirklich neu sind.
Warum aber dann schafft es die Nachricht in alle wichtigen Sendungen und ist mehr als eine Randnotiz in den Zeitungen? Und welche Konsequenzen werden daraus gezogen?
Zu erster Frage könnte ich nun trefflich spekulieren, dass auch den Autoren der Nachricht das Phänomen Stress bekannter ist als ihnen lieb ist, aber das ist alles nur Spekulation und von daher nicht wirklich zielführend.
Spannender ist, dass die Veröffentlichung des Fehlzeiten-Reports tatsächlich dieses Medienecho ausgelöst hat und dass dadurch ein Bewußtsein dafür geschaffen wird, dass wir uns an einigen Stellen unserer Arbeitsorganisation neu besinnen sollten:
Ein wiederkehrendes Thema in meinen Kursen ist die sich potenzierende Emailflut, die ausgelöst wird durch die Unsitte, möglichst große Verteiler zu kreiieren – einer wird sich dann schon zuständig fühlen. Was für den Versender evtl. entlastend sein kann, weil er sich nicht mit der Entscheidung plagen muss, für wen die Info denn nun tatsächlich relevant ist, bedeuten Dutzende von Emails am Tag für die Empfänger eine extrem hohe Arbeitsbelastung, enorme Ablenkung von ihrer eigentlichen Arbeit und letztlich eine Vielzahl von Unterbrechungen der Konzentration. Studien zeigen, dass bis zu einem Drittel der Arbeitszeit durch Unterbrechungen verloren gehen. Bis nach einer Unterbrechung wieder die volle Konzentration gefunden und der Faden aufgenommen werden kann, dauert es im Schnitt 8 Minuten. Sollten Sie vor der Unterbrechung einen Geistesblitz gehabt haben – vergessen Sie ihn. Unser Gehirn ist zwar in den meisten Fällen besser als jeder Computer – der Prozessor speichert aber nicht wirklich lange, so dass kreative Ideen und geniale Gedankengebäude durch Unterbrechungen sehr schnell zum Einsturz gebracht werden können.
Mein Tipp: Schalten Sie ihr Emailprogramm aus, wenn Sie konzentriert arbeiten wollen. Falls es Ihnen schwer fällt, probieren Sie mal nur eine Stunde Abstinenz und werten sie diese dann bewußt aus:
Was haben Sie in dieser Zeit geschafft? – Stellen Sie den Wert dieser Leistung dann ins Verhältnis zu den vermiedenen Unterbrechungen: Welche Emails sind in dieser Zeit aufgelaufen? Sind welche darunter, bei denen die Verzögerung von einer Stunde tatsächlich zu einem Verlust oder zu einem Versäumnis geführt haben? Die Antwort lautet in den meisten Fällen „Nein“. Zumal Anliegen, bei denen es sozusagen um Leben und Tod geht, dann eben doch nicht per Email geregelt werden.
In diesem Sinne: Passen Sie auf sich auf und entziehen Sie sich vermeidbarem Stress. Gewinnen Sie dagegen wieder die Souveränität und Hoheit über Ihre (Arbeits-)Zeit.

Ein Kommentar to “Neue AOK-Studie schreckt auf – wieso eigentlich?”

  1. Zum ersten Mal seit Jahren sind die Krankenstände in deutschen Unternehmen wieder gestiegen said:

    Jul 20, 10 at 10:02

    […] arbeitet oder den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt. In den letzten Jahren haben aber vor allem die seelischen Erkrankungen aufgeholt, die 2008 schon über zehn Prozent aller Fehltage […]


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